Bis zum Anfang dieses Jahrtausends war das Thema Kriegskinder eigentlich kein Thema in Deutschland. Zumindest nicht in Bezug auf die Generation der Kinder die 1939 bis 1945 in Deutschland geboren wurden. Das auch Kinder von Tätern und Täterinnen Opfer sein können und sich das Leid der Kriegsjahre in ihre Körper und Seelen einprogrammiert hat, ist durch die Übermacht der Gräueltaten der Deutschen in der Nazi Zeit lange Zeit unbeachtet geblieben. So haben viele Menschen Jahrzehnte- teilweise ihr Leben lang- mit den Folgen ihrer Kriegskindheit zu kämpfen. Was den Kampf erschwert hat, war, dass es weder in der Gesellschaft noch bei den Betroffenen selber eine Wahrnehmung für die Besonderheiten der Kindheit im 2.Weltkrieg gab. Flucht, Hunger und Bombenächte wurden als „Das war halt so.“ abgetan.
Sabine Bode schafft es mit ihrem 2004 erschienen Buch „Kriegskinder- Eine vergessen Generation.“ diese Menschen in den Fokus zu nehmen. Sie hält ein eindringliches Plädoyer dafür, dass ein gesellschaftliches Klima entsteht, in dem diese alten Wunden heilen können. Sie wirbt in ihrem Buch dafür diese emotionale Aufarbeitung nicht den rechten Kräften in diesem Land zu überlassen. Es geht ihr nicht darum auf den Zug der „Opferisierung“ der Deutschen aufzuspringen. Vielmehr hält sie es für notwendig, dass Menschen ihre eigenen Traumatisierungen aufarbeiten, um überhaupt erst in der Lage zu sein das Leid anderer nachempfinden und betrauern zu können. Dies ist jedoch die beste Prävention für gewalttätiges und menschenverachtendes Verhalten.
In dem Buch „Kriegskinder“ lässt sie die Jahrgänge 1930-1945 persönlich mit ihren Geschichten zu Wort kommen. Darüber hinaus ergänzt sie das Erzählte mit dem aktuellen Stand der Trauma-Forschung (macht dabei auch auf ihre eklatanten Versäumnisse der letzten Jahrzehnte aufmerksam) und bettet das Ganze in einen gesellschaftlichen und pädagogischen Kontext ein. Das Buch ist zwar sachlich aber gleichzeitig sehr persönlich von der Autorin geschrieben.
Leichte Kost ist es allemal nicht.
Bereits in diesem Buch deutet Frau Bode an, dass Traumata nicht mit einer Person zusammen sterben und verschwinden, sondern über die Kinder immer weiter gegeben werden. So kann es kommen, dass ein kleines Kind, was völlig unbescholten in einer deutschen Kleinstadt in den 60ern aufwächst, die Kriegserlebnisse der Mutter träumt.
Diese transgenerationalen Aspekte beleuchtet sie nochmals eindrücklicher in ihrem 2009 erschienenen Buch „Kriegsenkel. Die Erben der vergessenen Generation.“ Wie der Titel bereits sagt, handelt es sich hierbei um die Kinder der Generation von 1930 bis 1945. In diesem Buch wird an Hand von vielen einzelnen Lebensgeschichten klar, wie sehr die Erlebnisse von Krieg und Flucht auch über Generationen hinweg in Menschen leben und ein unbeschwertes Leben manchmal fast unmöglich machen.
Beide Bücher können eine kleine Offenbarung für Menschen sein die lange mit unerklärlichen (psychosomatischen) Beschwerden ihr Leben meistern müssen; deren Familiengeschichte wie in einen Nebel gehüllt ist oder die ihre Eltern wie Fremde wahrnehmen. S. Bode versucht in ihren Büchern ein größeres Verständnis bei den Betroffenen für sich selbst und die Eltern Generation zu vermitteln.
Dies gilt alles natürlich nicht nur für Menschen die in Deutschland im 2.Weltkrieg traumatisiert wurden oder deren Eltern damals Kinder waren. Übertragen werden können diese Mechanismen auf alle Menschen. Das besondere an diesen Büchern ist allerdings, dass es sich um die deutsche Geschichte handelt in der ebendieser Aspekt lange unter Scham, Trauer, Schuld und Angst kollektiv vergraben war.